Highlights
21. März 2020
Petra Hartlieb, Wien
Am Dienstag, dem 16. März, bin ich am Morgen aufgewacht und brauchte drei Minuten, um zu begreifen, dass heute kein normaler Tag sein wird. Dass vielleicht nie mehr ein normaler Tag sein wird.
Und dann blieb ich noch drei Minuten im Bett und dachte darüber nach, welche Probleme ich in meinem früheren Leben hatte. 1.) Ich wollte fünf Kilo abnehmen. 2.) Ich wollte einen letzten Versuch starten, meinen schwierigen Hund besser zu erziehen. 3.) Ich wollte disziplinierter schreiben, um den Abgabetermin zu schaffen.
Recht viel mehr fiel mir nicht ein.
Als ich am Freitag von den Geschäftsschließungen für eine Woche hörte, versuchten wir auszurechnen, was das für unser Budget bedeutet. Das ist ja nicht so schlimm, wir hatten ja auch schon mal zwei Wochen wegen Renovierung geschlossen und haben das Jahr überstanden. Ich brauchte das ganze Wochenende, um zu begreifen, dass zwar von einer Woche geredet wird, niemand aber eine Woche meint. Was würde das bringen? Eine Woche zu und dann Business as usual? Also zwei? Oder drei? Oder zwei Monate?
Ein Wochenende voller Verzweiflung. Ich habe gefühlte zwölf Stunden am Tag Nachrichten geschaut, in der Nacht nichts geschlafen, geweint, mit Freunden geschrieben, mit Mitarbeiterinnen telefoniert. Dazu kam, dass ich Husten und erhöhte Temperatur hatte und nicht mal arbeiten durfte, am „letzten Tag“.
Doch wir wären nicht wir, wenn wir einfach aufgeben würden. Mein Mann und ich sind wahre Meister im „Schönreden“, also werden wir das auch irgendwie schaffen. Na ja, schönreden kann man jetzt nichts mehr, gar nichts, aber wir können uns auch nicht einfach die Decke über den Kopf ziehen und nichts tun! Wir müssen die Gehälter für dreizehn Menschen bezahlen, Miete, Lieferanten, Steuern, Strom ...
Wie soll das gehen, wenn der Laden zu ist? Null Einnahmen und tausende Euro Ausgaben. Wie machen die anderen das? Nach und nach realisiere ich, dass es „alle“ betrifft. Das wir vielleicht unser Geschäft verlieren, nicht, weil wir schlecht gewirtschaftet haben, zu schnell gewachsen sind oder ich irgendeine schlimme Krankheit habe, die mich aus der Bahn wirft. Nein. Alle, wirklich alle, müssen zusperren. Alle unsere KollegInnen. Der Wirt, wo wir immer hingehen. Der Blumenladen, wo ich schön langsam meine Terrassenpflanzen kaufen sollte ...
Am Donnerstag, den 12. März schreibe ich einen Text über die Krise und dass wir keine Veranstaltungen mehr abhalten können. Unsere geniale Social-Media-Mitarbeiterin dreht einen kleinen Film über die Jungs, die den Versand bei uns normalerweise machen. So nebenbei, weil so viel ist das nicht. Um 16:30 stellen wir das auf Facebook und ich schreibe: „und selbst, wenn wir aufgrund irgendwelcher Maßnahmen einmal schließen müssten, unser Webshop läuft weiter.“
Und nun sind wie eine Versandbuchhandlung, begeistert und gleichzeitig überfordert angesichts der Flut an Bestellungen.
Fortsetzung folgt.