Eine poetische Reise durch den Alltag des Lebens, voller kleiner Nadelstiche.
Die Jahreszeiten fliessen dahin, und der Kampf mit und um das Leben nimmt einen ruhigen Verlauf. „Und alle Lieben leben“, das ist die Behauptung. Das Haus schützt und sperrt ein, zwei Personen sind für den zeitlosen Moment zusammengeschweißt – und doch wie gemeinsam ausgesetzt. Der Alltag will bewältigt werden. Erinnerungsbilder steigen hoch, die Chemotherapie beginnt sowie die Suche nach dem ich. Oder ist es ein Du? Schon stellt sich die nächste Jahreszeit ein, in der und mit ihr „alle Lieben leben“ …
Ausdrucksstark und bilderreich führt uns Hans Eichhorn in eine Welt der Entfremdung, der Krankheit und der Zuversicht. Brillant!
Treffen sich zwei, nennen wir sie Georg und Renate, sie Nichtraucherin, er Antialkoholiker. Beide sind sie auf der Suche nach … - na? Nun, was man halt so sucht! Sich selbst, einander, Arbeit. In einer Werbeagentur zum Beispiel, denn auch dort wird jemand gesucht, nachdem man von der Leitung der Gedenkstätte, des ehemaligen Vernichtungslagers, den Auftrag erhalten hat, eine Marketingstrategie zu entwickeln, um die Besucherzahlen zu steigern. „Umwegrentabilität“, „Nachhaltigkeit“, „Imagegewinn“ – und für Georg und Renate noch dazu eine gute Gelegenheit, sich über den Weg zu laufen, sich zu treffen.
So könnte es sein. Dann hätte Hans Eichhorn also einen Liebesroman geschrieben. Hat er aber nicht, nur fast. Hans Eichhorn demonstriert vielmehr, dass es einfach wäre, einen zu schreiben, weil man mit Sprache schnell vom einen zum anderen kommt und jede Distanz überwindet, weil es kein praktischeres Fortbewegungsmittel gibt als das Wort. Aber auch kein flüchtigeres, keines, das einen so blind macht für die Wirklichkeit, für alles das, was zwischen Georg und Renate liegt und sie trennt.
Die Liegestatt ist Anker wie Angelpunkt einer Reise ohne Anfang und ohne Ziel. Ohne sich zu bewegen, nimmt der Text Fahrt auf, kommt von einem Ort zum anderen Ort und sammelt auf seinem Weg Strandgut auf: ein Wasserkocher, das Bohrgeräusch im oberen Stockwerk, ein Tretroller, die zerquetschte Wespe zwischen den Jalousienblättern. Beobachtungen und Erinnerungsbilder aus einer Welt der kleinen Dinge und Sensationen, die zu Wörtern gerinnen. Wörter wiederum, die Beobachtungen und Erinnerungsbilder hervorrufen, aus denen sich eine Welt zusammensetzt: „Noch mehr zu verhandeln, noch mehr Segelboote, die aufzutakeln sind.“
Hans Eichhorn schreibt mit „Die Liegestatt“ das Logbuch einer Expedition im Stillstand, in der Bewegungslosigkeit. Die Seekarte ist der geweißte Plafond über dem Ich, das im Liegen sich und die Welt vermisst. Vermisst, im doppelten Sinne: Denn die Welt ist immer der andere Ort, wo man gerade nicht ist, „und sobald du hineingreifst, zerplatzt das Gebilde“. So steht diese Reise wie jede andere unter dem Motto: „Trag bitte die Altkleider in den Keller und bring die fertig geschleuderte Kochwäsche zum Aufhängen mit!“
Gedichte vom Aufbegehren der Dinge gegen die gewohnten Zusammenhänge.
Hellblauer Kleiderbügel, dein Elefantenherz schreit nach Beachtung. So lautet das Motto des neuen Lyrikbandes von Hans Eichhorn, in dem sich 50 Jahre Lebenserfahrung verdichten. Hans Eichhorn malt poetische Stillleben, in denen es unversehens laut wird, weil etwas sein Recht reklamiert, auf sein Dasein aufmerksam zu machen: ein Ding oder ein Mensch oder ein schlauer Spruch. Die Waschmaschine bricht rumpelnd in die Beschaulichkeit eines Winternachmittags, ein Möwenschrei fährt schneidend in die Ruhe des Sees, das Kind setzt dem sinnenden Kopf eine Spielzeugpistole an die Schläfe. Gewohnte Bilder zerspringen und arrangieren sich neu. Alltagsgegenstände verschaff en sich mit Nachdruck Gehör, fordern ihren Platz unter den nennenswerten Dingen. Der Dichter sieht zu, was der Zeitfl uss in seine Reuse spült, was der neue Wind vorbeibringt.
Hier haben wir ein Lebensgefühl, etwas zwischen Staunen und Panik und nicht ganz Dazugehören, was ja ein Synonym für Dichter ist. Peter Hamm über Hans Eichhorn
Das bewegte Leben des Malers O.A.W. Schulze alias Wols im Tagebuch des Dichters Hans Eichhorn
Es ist meist Winter in diesem Buch, denn nur da hat der Dichter, der auch Fischer ist, Zeit und Muße, sich Tag für Tag an seinen Schreibtisch zu setzen, im Haus am See oder in der oberösterreichischen Kleinstadtwohnung. Ein Blick aus dem Fenster auf die kahlen Bäume, und schon stellt sich die Welt von Wols ein, schon erwachen im Kopf die feinen Tuschfederzeichnungen des Künstlers mit bürgerlichem Namen Alfred Otto Wolfgang Schulze. Geboren 1913 in Berlin, Kindheit in Dresden, zunächst als Fotograf tätig, erste Einzelausstellung 1937 in Paris, dort Kontakte zur künstlerischen Avantgarde, nach Kriegsausbruch Internierung in verschiedenen französischen Lagern, wo er intensiv zu zeichnen und zu aquarellieren beginnt; Circus Wols, das ehrgeizige Projekt eines umfassenden Bildungserlebnisses, entsteht; Tod 1951, vermutlich Fleischvergiftung.
Die Eckdaten eines Lebens, das Katalogwissen, wie fügen sie sich zu einem Menschenbild?
»Man muß seine Texte, seine Zitate und seine Zeichnungen als Ganzes im eigenen Kopf bewegen. Das ergibt dann Wols.« (H.-P. Roché)