Highlights
1. April 2020
Peter Rosei, Wien
Auf einem Schiff, das in Schwierigkeiten gerät, hieß es früher: Frauen und Kinder zuerst! Je länger die gegenwärtige Krise andauert, desto deutlicher wird mir, dass mir die Aussicht auf eine glückliche Zukunft für unsere Jugend mehr bedeutet als mein eigenes Leben. Ich bin bald 74 Jahre alt, bei guter Gesundheit, und ich lebe gern. In keiner Hinsicht habe ich mich zu beklagen. Hätte ich aber die Jahre, die mir noch bleiben, abzuwägen gegen die Zukunft der jungen Leute, ohne Zweifel würde ich Letzterer den Vorzug geben.
Obiges schrieb ich vor zwei Tagen. Mittlerweile bin ich positiv auf Corona getestet. Die typischen Antikörper fanden sich. Als ich vor zweieinhalb Wochen 41 Grad Fieber hatte, wimmelte man mich bei der Hotline ab - wahrscheinlich hatte man keine Tests zur Verfügung - man riet mir, den Notarzt zu rufen. Es ging auch ohne. Sonst wäre ich wohl im Spital gelandet und damit in der - lausig ungenauen - Statistik.
28. März 2020
Peter Rosei, Wien
Bei meinem ersten Eintrag in diesen Blog schrieb ich: Nach Biedermeier ist mir nicht zumute. - Was ich damit meinte? Angesichts des ringsum aufkommenden Leids war mir nicht danach, mich mit dem Anblick von aus dem alten Laub herausdrängenden Veilchen, dem Bärlauch, der als frischer, grüner Teppich den Waldboden bedeckt, mich mit derlei Dingen abzulenken. Ja, diese Dinge sind ergötzlich - freue dich daran und tröste dich. Vergiss aber nicht auf das Leid der anderen. Sei, wenn irgend möglich, tätig! Kein Absturz in die Idylle! Sage ich jetzt: Nach Biedermeier ist mir nicht zumute, meine ich etwas anderes dazu: Unter einem Metternich möchte ich nicht aufwachen. Was meint: Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, die von Papa Staat gegängelten Kinder zu sein. So nützlich und hilfreich das Regiment des starken Staates jetzt ist - wir als Einzelne haben verfassungsmäßig garantierte Rechte. Die wollen wir bewachen, behalten und keinesfalls uns mindern lassen. Ein freihändiger Umgang mit der Verfassung, wie er von manchen Juristen jetzt im Krisenmanagement beobachtet und moniert wird, sollte uns Weckruf sein.
26. März 2020
Peter Rosei, Wien
Erstaunlich und erfreulich, wieviel Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt es in unserer Gesellschaft gibt! Jeden Tag tauchen neue Bekundungen davon auf. Möge sich möglichst viel davon in die Zeit "danach" hinüberretten!
Immer deutlicher zeichnen sich mittlerweile Skylla und Charybdis für die Entscheidungsträger ab, die zwei Felsen des Übels: Hie das Leid der am Virus Erkrankten, schwer Erkrankten oder gar am Virus Sterbenden - dort das Leid der Arbeitslosen, der Delogierten, derjenigen, die nicht an ihren Arbeitsplatz können, jener, die in kleinen, engen Wohnungen ausharren müssen usf. - dazu das in seiner Wucht noch nicht fassbare und abschätzbare Leid, das eine wirtschaftliche Depression mit sich bringen würde. Klar ist, dass hier abgewogen werden muss: Wie soll der Kurs sein? Klar ist, dass für die nicht produktiven Teile der Bevölkerung - zufällig fallen sie mit der Gruppe der Hochgefährdeten grosso modo zusammen - der Lockdown länger anhalten wird, einfach, weil es Leben schützt, ökonomisch aber nicht schadet. Kulturelle Events werden wohl leider auch als "unproduktiv" eingestuft werden. Alle anderen gesellschaftlichen Bereiche werden langsam, langsam, sobald es nur irgend angeht - unter Einsatz weiterer finanzieller Stimuli - der Normalisierung entgegengehen. Normalisierung - was das ist, wird neu zu definieren sein. Sparen - das kommt später. Dann wird sich vor allem die Frage stellen, wo gespart werden soll und auf wessen Kosten. Ob die derzeit aus der politischen Leichenkammer hervorgeholte Sozialpartnerschaft dann wieder dorthin zurückbefördert werden wird. Wollen wir "danach" eine sogenannte freie, das heißt, möglichst deregulierte Wirtschaft haben, oder halten wir fest: Solidarität, Kooperation sind doch nicht schlecht, im Gegenteil, gesellschaftlich höchst nützlich, darüber hinaus als Konzepte menschlich wertvoll?
Vielleicht kann es gelingen, das zwischenmenschlich Gute und Erwünschte mit dem gesellschaftlich Guten und Erwünschten doch überein zu bringen? Die ökonomische Mechanik einer so verfassten Gesellschaft wäre dann das sekundäre Ergebnis - oder wollen wir unsere Werte, umgekehrt, von einer als effizient definierten Ökonomie herunterrechnen und bestimmen lassen?
19. März 2020
Peter Rosei, Wien
Ich bin nicht der Überzeugung, dass alles gut wird. Für manche von uns vielleicht. Für viele kann es bitter kommen, vor allem wieder für die ohnehin Schwachen. Mit meinen Gedanken bin ich vor allem bei den jungen Leuten und ihrer Zukunft. Ich begrüße alle wirtschaftspolitischen Hilfsmaßnahmen, seien es die unserer Regierung, die der Nationalbank, der EZB usf. Wie läppisch kommt mir doch der eigene Alltag als sog. Risikofall vor! Nach Biedermeier ist mir nicht zumute. Erfreulich am "Team Austria" finde ich die Besonnenheit der meisten, die Hilfsbereitschaft der vielen, den Einsatz "unserer Helden", den man belohnen, jedenfalls nicht gleich wieder vergessen sollte - "wenn alles einmal gut ist." Eine solidarische Gesellschaft, nicht nur in Krisenzeiten - wie würde die denn aussehen?