Blüten des Bösen: wache und halbwache Alptraumbilder aus den dunklen Abgründen des Tagtäglichen.
Der Mensch ist des Menschen Wolf, davon erzählen nicht zuletzt die Märchen. Allerdings wissen sie die unzumutbare Wahrheit schonungsvoll zu verhüllen. Wie wäre es, fragt sich Julian Schutting, wollte man etwas von dem, was an Gräßlichkeiten, an lokalen Tragödien tagtäglich geschieht und in Bild und Ton zu den Kindern dringt, in Märchenform erzählen? Könnte dies die Wahrheit tragbarer, ertragbarer, wenn schon nicht erträglich machen?
Sommer 1970, Henndorf bei Salzburg: Carl Zuckmayer, der viele Jahre hier gelebt und gearbeitet hat und sein geliebtes Haus einst unfreiwillig verlassen mußte, wird als Ehrengast empfangen und gefeiert. Er selbst feiert ein Wiedersehen mit der vertrauten Landschaft, mit alten Freunden und Nachbarn, und findet Trost in der Erkenntnis, daß die Erinnerung wach bleibt.
… und schon bin ich ganz im Henndorfer Märchenzauber eingefangen, – in den sich zugleich ein Hauch von mythischer Trauer mischt, –: nicht um ein „verlorenes Paradies“, – das ist nur ein Wort, und nichts wirklich Gelebtes ist verloren, sondern um die Toten, die allgegenwärtigen, die uns lautlos begrüßen …
Immer beschwert sich der ortsansässige Dichter über die Postzustellung. Die Postzustellung ist unzuverlässig, sagt er, die Postzustellung ist die unzuverlässigste. Wenn das geschieht, sagt Blumauer, wenn sich der ortsansässige Dichter über die Postzustellung beschwert, dann geschieht auch folgendes: Ich beschwere mich über mein Moped.
Ein anonymer Erzähler führt Klage beim Postmeister einer kleinen niederbayrischen Landpost über die Schwächen der drei Briefträger: der eine ein Trinker, der zweite ein Frauen-held, der dritte einem kulturellen Laster verfallen. Die Unzufriedenheit des Be-schwerdeführers trifft freilich auch den Fleischhauer, den Tierarzt, die Lehrer und andere – in Summe: die ganze Unzulänglichkeit der Welt.
Einmal im Jahr, an ihrem Hochzeitstag, treffen sich Estes und Sophie in Venedig, lassen eine Ehe wieder aufleben, die keine mehr ist. »Als Mann liebt man die Erinnerung«, meint Estes, und schließlich haben sie doch zwanzig Jahre miteinander verbracht.
Zuvor ist Sophie mit Schubert nach Venedig gefahren: keine Liebesreise im engeren Sinn, sie gewähren einander nicht einmal das Du-Wort, und doch betrachten sie sich als ein Paar: Sophie hatte Schubert das Leben gerettet nach seinem ersten Selbstmordversuch. Monate später steht er auf, duscht, rasiert und frisiert sich, zieht seinen schwarzen Anzug an, nimmt seine Winchester, lädt sie durch, legt die 3. Symphonie von Rachmaninow auf den Plattenteller, trinkt einen dreifachen Kognak, legt sich – das Gewehr neben sich – aufs Bett, nimmt eine Überdosis Veronal und erstickt an Schluckkrämpfen: eine seltsam traurige Geschichte.
Estes fühlt sich verantwortlich für Schuberts Tod: Er hat von seinem Leiden am Leben gewußt und hätte etwas unternehmen sollen. Während andere Schuld allzu gerne von sich weisen, versucht Estes sie beinahe manisch an sich zu reißen. Er kann und will sich nicht abfinden mit dem Unausweichlichen in der Tat seines Freundes, bis ihm selbst der Tod empfindlich nahe rückt.
Endlich sind sie wieder greifbar: die Geschichten von Zorro, dem Rächer der Würstelmänner, Herrn Quarglschmitt, der nicht in den Ring will, von Herrn Krabaths musikalischer Haar- und Bartpflege und vielen anderen Merkwürdigkeiten aus Wien.
Er ist inzwischen legendär: Zorro, der Rächer der Würstelmänner, der einem »nadelgestreiften« Kunden, welcher die Unterstellung verlauten ließ, die dargebotene Burenwurst bestünde aus Roßfleisch, kurzerhand mit der Senfspritze ein großes gelbes Zett aufs feine Tuch applizierte. »Der Dezentling mit dem fatalen Senfzett an der Sakkobrust jaulte auf wie der Werwolf von London. Das paßte hübsch in die laue Vollmondnacht, verbreitete einen herben Hauch gruseliger Romantik und brachte nebenbei einen kleinen Menschenauflauf zustande.«
Nicht in allen diesen Geschichten aus Wien geht es um die Wurscht: auch ein »schönes Schnitzerl«, eine gekochte Hauskatze oder einen Kellerratz in Pfeffersoß darf man erwarten, und in besonders windigen Lokalen mit arabischem Koch werden Blindschleichen als Aale aus dem indischen Ozean verkauft. Das Café Hawelka, dem hier ein literarisches Denkmal gesetzt wird, kredenzt Nußbeugeln und Melangen. Im Hause der Frau Amtsrat Melanie Reißfleisch wiederum dürfen sich Menschenfresser und andere zwielichtige Aus-länder keine Kost und schon gar kein Logis erwarten. Ausgerechnet in Berlin erschien, gesammelt und herausgegeben von Gerald Bisinger, die erste Buchausgabe dieser Prosastücke, die H. C. Artmann (zum überwiegenden Teil) vor mehr als vierzig Jahren für die Wochenendausgabe des »Neuen Kurier« schrieb. Jahre später inspirierten die ebenso grotesken wie realitätsnahen Genrebilder aus dem Wiener Kleinbürgerleben den Zeichner Ironimus zu seiner kongenialen Interpretation der »Skizzen aus Wien«.
Erhältlich als
Hardcover
Mit Zeichnungen von Ironimus. Neuauflage
160 Seiten
Format: 0 x 0
ISBN: 9783701713608
Erscheinungsdatum: 01.01.2003 €
17,00
inkl. MwSt.
Eine Neuausgabe der Trilogie, in der Franz Innerhofer vom Leben als Knecht am Hof des Vaters erzählt, vom Aufbruch in die Welt der Arbeiter und zuletzt in die der Studenten und Germanisten.
"Gestern noch machte ich mir heftige Vorwürfe, fluchte auf den Schreiber in mir und bekämpfte ihn mit Alkohol. Heute wird mir bewußt, daß ich all diese Jahre unrecht hatte, indem ich mir selber nie recht gab. Die Sprache ist zu meiner Zufluchtsstätte geworden. Ich kann Dinge und Zustände beim Namen nennen, das kommt, weil ich so viel geschwiegen habe (…). Immer den Mund halten müssen ist schlimm. Ich habe dreimal das Milieu gewechselt und bleibe jetzt einmal sitzen. Meine Literatur ist immer noch viel zu schüchtern gegen mich und die anderen, aber das Wichtigste scheint mir, daß ich mich heute entschlossen habe: ich mache weiter."
Franz Innerhofer 1974
Seine stärksten Texte aus sechs Jahrzehnten
Mit einem Vorwort von Karl-Markus Gauß
Gerhard Amanshauser wurde als der »bedeutendste unter Österreichs bisher unentdeckten Autoren« (Daniel Kehlmann) bezeichnet. Doch mittlerweile rezipieren auch die großen deutschsprachigen Medien regelmäßig den selbstgewählten Außenseiter, der auf dem Salzburger Festungsberg lebt. Der Mann, dem es keine Schwierigkeiten bereitet, die Menschen auf unserem Planeten aus dem Blickwinkel einer Sonde zu beschreiben, tritt in diesem Lesebuch mit Scharfsinn, Witz und ungewöhnlicher Kompromißlosigkeit gegen alle Dogmen an. In »Entlarvung der flüchtig skizzierten Herren« sind seine stärksten Texte aus sechs Jahrzehnten versammelt, erzählerisch, satirisch, theoretisch, immer auch autobiographisch. Gerhard Amanshauser hat den Atem für große Konstrukte, doch er ist auch ein Meister der kleinen und exakten Form. Sein stets origineller Blickwinkel wirft von unerwarteten Seiten Blitzlichter auf uns alle, und nicht zuletzt auf ihn selbst. Das macht dieses Buch zu einem amüsanten Lesevergnügen; selten zuvor waren Literatur und Philosophie so klar und wirklichkeitsbezogen. Amanshauser verweigert sich den banalen Diskursen ebenso wie dem Literaturbetrieb. Er hat nichts übrig für das Spiel der Eitelkeiten, er betreibt seine radikale und schonungslose Erforschung der »modernen« Gesellschaft, und nebenbei brilliert er als großer Stilist.
Erhältlich als
Hardcover
Mit einem Vorwort von Karl-Markus Gauß. Mit CD
256 Seiten
Format: 140 x 220
ISBN: 9783701713226
Erscheinungsdatum: 01.01.2002 €
22,00
inkl. MwSt.
Ja, DamenundHerren, so ein Jahrtausend, das ist schon ganz schön viel. Mehr zumindest als ein Jahrhundert und auf jeden Fall mehr als ein Nachmittag. Eines Schriftstellers.
Aber ein Dichter hat eben auch ganz schön viel zu erzählen und am meisten über sich. »Album« heißt der erste Teil dieses Buches, das als Internet-Seite entstand, schräge Bilder, schräge Texte, sehr persönlich und doch welthaltig, ja: WELTHALTIG. Goethe kommt vor und Freddy Quinn, und Siemens natürlich, und die gute alte Bravo. Ein Sittenbild, könnte man sagen.
Der zweite Teil, betitelt »Die Banalität des Prolligen«, umfaßt eine Internet-Korrespondenz mit den Kollegen Georg M. Oswald, Norbert Niemann und Helmut Krausser, eine »Art Begleiterscheinung« (des Dichtens), die man natürlich auch ein »mehrstimmiges Journal« nennen könnte. Wenn man wollte. Es bringt die lang erhoffte Antwort auf die ewigen Fragen, was Autoren tun, wenn sie gerade nicht schreiben (können), was sie beschäftigt, was sie bewegt. Sie nehmen mitunter einen guten Schluck, vertiefen sich in das Werk der Kollegen von einst und jetzt und kommen zu lapidaren Einsichten: »Experimente mit Robert Walser und Kräuterlikör. Fehlgeschlagen. Handke und Birnenschnaps funktioniert.«
Diese Website gehörte zu den spannendsten Ereignissen der Internet-Literatur, sie hatte in ihrer Entstehungszeit in den letzten Jahren monatlich 8000 Zugriffe aus aller Herren Länder. Was da räsoniert und diskutiert wurde über die Dichtung, die Liebe, das Leben und den gesunden Durst, gibt es nun verewigt als Buch, also, DamenundHerren, greifen Sie zu!
Die Geschichte eines unerhörten und grenzenlosen Liebens
Eine junge Frau unternimmt eine lange Reise durch die Liebe, quer durch Europa und im Rhythmus beruflicher Zwänge. Die ihr begegnen, entdeckt sie wie weiße Flecken auf der Landkarte. Die ihr begegnen, sind nicht wenige. Chamäleonisch paßt sie sich den »Farben« der Männer an. Konsumiert sie die Menschen, wie man Länder konsumieren kann? Im Anfang waren drei Worte, brutale Worte, gesprochen von dem Berliner Argentinier Alvaro Castillo del Mar: »Ich – bin – verheiratet.« An seiner Seite hätte sie zwei Leben gelebt, doch so viel darf es nicht sein. Sie treffen sich über Jahre hinweg immer wieder, manchmal im Abstand von Wochen, manchmal von Monaten. Die restlose Heimkunft bei Alvaro ist das Ziel von Lauras Reise, von ihrer Suche, die voller Zweideutigkeit und Tücke steckt. Ihr Weg führt sie in ein unewiges Rom, den rauhen Berliner Osten, in ein Ferien-Spanien, ins freundliche Lille und ins sportliche, kluge Grenoble; führt sie zu Federico, der sie stets mit Blumen vom Flughafen abholt und sie zur »Heimfrau« machen will, zu Lionel, der ihr gern zur Hand geht, aber sonst noch einiges zu lernen hat, und zu anderen mehr. Andra Joeckle hat eine eigene Sprache für den Dämon »Liebe« gefunden: junge, nackte, wehe Worte, unerschrocken und fast unverschämt pathetisch, doch immer gebrochen durch feine Ironie. Gleichzeitig besticht ihre Erzählweise durch einen unverbrauchten Blick auf die verschiedensten Spielarten menschlicher Anziehungskraft und die Ernüchterungen ihres Vergehens.
Als Barbar im Prater ist nicht nur Autobiographie, sondern auch der spannende Roman einer Kindheit und Jugend (1928–1950), die Geschichte einer Über-Lebensstrategie, geschrieben von einem, der die Menschen liebt und deshalb rechtmäßig als ihr schärfster Kritiker fungiert. Ob es um die Eroberung der »großen Weinbeute« im Gemäuer der Salzburger Festung geht, um die geheime sexuelle Bedeutung des Worts »Hawaii« für ein Dienstmädchen oder um den irrtümlichen Verlust einer Hakenkreuzfahne, wegen dem er 1944 zum »Osteinsatz« verurteilt wird: Gerhard Amanshauser hat den Blick für das Wesentliche und deckt menschliche Schwächen – auch die eigenen – schonungslos auf. Durch den Tritt einer Kuh wird dem 17jährigen die Sinnlosigkeit des Kriegs endgültig bewußt. Als Barbar im Prater handelt auch von der Generation des Wirtschaftswunders, für deren rasanten Sturzflug ins geregelte Erwerbsleben der Autor Gerhard Amanshauser nur Hohn übrig hat. Er wollte zeitlebens der isolierte Denker auf dem Salzburger Festungsberg bleiben. Seine Gegenstrategien: die Skepsis und die Zurückhaltung gegenüber allen ideologischen Modellen. Amanshauser verweigert sich dem Spiel der Eitelkeiten, er bleibt ein Aussteiger, dessen radikale Erforschung der »modernen« Gesellschaft die Qualität jeder unangenehmen Wahrheit hat: sie schmerzt.
Erhältlich als
Hardcover
mit zahlreichen Abbildungen
176 Seiten
Format: 210 x 135
ISBN: 9783701712540
Erscheinungsdatum: 01.01.2001 €
19,00
inkl. MwSt.