Mit gewohnter Lakonik und schwarzem Humor legt Evelyn Grill Zeugnis ab von der Einsamkeit in schwierigen Zeiten.
Eine alte Frau sitzt in ihrem Lehnstuhl, ihre Gedanken gehen zu ihrer Tante Paula, von der sie dieses Möbelstück geerbt hat, und zu ihrer eigenen aufgezwungenen Einsamkeit. Denn es herrscht Pandemie und sie ist zur „vulnerablen Person“ erklärt worden. Als solche wird sie vorsorglich abgesondert und „keimfrei aufbewahrt“, vielleicht wird sie unter dieser Schutzglocke ja hundert Jahre alt. Tante Paula hingegen ist keine fünfzig geworden, sie wurde deportiert und der Lehnstuhl ist alles, was von ihr geblieben ist. Zwischen glasklarer Erkenntnis und zunehmender Verwirrung kreist das Denken der alten Frau um das Leben, das geschützt wird, und jenes, das als „unwert“ bezeichnet wird, um gesellschaftliche Gewalt – und um das Glück, von niemandem behelligt zu werden.
Ein Schiedsrichter erklärt, wie er die Welt sieht - bevor er rausgeht und das Finale pfeift. Sein Finale.
Der große Satiriker Thomas Brussig schlüpft in die Rolle eines Schiedsrichters, um über das Leben zu sinnieren. Wie ist es, von achtzigtausend Menschen ausgepfiffen zu werden? Wie ist es, für neunzig Minuten nur von Lügnern, Tricksern und Betrügern umgeben zu sein, die, je nach Situation, eine Leidens- oder Unschuldsmiene aufsetzen? Wie ist es, nur durch Fehler Aufmerksamkeit zu erlangen, denn schließlich wird nur über Fehlentscheidungen diskutiert? Die Tragödie des Unparteiischen besteht darin, Neutrum sein zu müssen in einer Welt, die Leidenschaften weckt, Amateur zu sein unter hochbezahlten Profis. Und wieso sollen ausgerechnet die Schiedsrichter gerecht sein, wenn niemand auf der Welt noch Gerechtigkeit erwartet? Thomas Brussig eröffnet eine neue Reihe im Residenz Verlag: Eine Litanei.
Eine Litanei
Wir laden Autoren ein, sich Luft zu machen, Klartext zu reden, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Jammern ist eine Kunst, und Anlass gibt es immer und genug: über Gott und die Welt und vom Hundertsten ins Tausendste - Hauptsache lustig und frisch von der Leber weg.
Treffen sich zwei, nennen wir sie Georg und Renate, sie Nichtraucherin, er Antialkoholiker. Beide sind sie auf der Suche nach … - na? Nun, was man halt so sucht! Sich selbst, einander, Arbeit. In einer Werbeagentur zum Beispiel, denn auch dort wird jemand gesucht, nachdem man von der Leitung der Gedenkstätte, des ehemaligen Vernichtungslagers, den Auftrag erhalten hat, eine Marketingstrategie zu entwickeln, um die Besucherzahlen zu steigern. „Umwegrentabilität“, „Nachhaltigkeit“, „Imagegewinn“ – und für Georg und Renate noch dazu eine gute Gelegenheit, sich über den Weg zu laufen, sich zu treffen.
So könnte es sein. Dann hätte Hans Eichhorn also einen Liebesroman geschrieben. Hat er aber nicht, nur fast. Hans Eichhorn demonstriert vielmehr, dass es einfach wäre, einen zu schreiben, weil man mit Sprache schnell vom einen zum anderen kommt und jede Distanz überwindet, weil es kein praktischeres Fortbewegungsmittel gibt als das Wort. Aber auch kein flüchtigeres, keines, das einen so blind macht für die Wirklichkeit, für alles das, was zwischen Georg und Renate liegt und sie trennt.